Magnetische Eigenschaften mit Elektrizität ändern

Wissenschaftler der ETH Zürich und des PSI haben Hinweise gefunden, dass sich die magnetischen Eigenschaften bestimmter Materialien extrem schnell ändern lassen. Dies ist Grund zur Hoffnung, dass sich aus solchen Materialien in Zukunft ultraschnelle Computerfestplatten herstellen lassen.

von Fabio Bergamin
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In ihren Experimenten haben die Wissenschaftler einen Terbiummanganit-Kristall (rechts dargestellt) mit einem optischen Laser (rot) angeregt und die Anregung mit Röntgenstrahlung (blau) gemessen. (Illustration: Teresa Kubacka / ETH Zürich)

In aller Regel gibt es nur eine einzige Möglichkeit, einen geeigneten Gegenstand magnetisch zu machen: Man setzt ihn einem äusseren Magnetfeld aus. Bei einer speziellen Klasse von Materialien, den Multiferroika, gibt es allerdings noch eine zweite Möglichkeit: Ihre magnetischen Eigenschaften kann man auch direkt durch das Anlegen einer elektrischen Spannung beeinflussen. Multiferroika werden derzeit in der Physik intensiv erforscht. Dies hat auch damit zu tun, dass sie dereinst als Computerspeichermedien Verwendung finden könnten. Denn während Daten heute mit einem mechanisch bewegten Magnetkopf auf die Festplatte eines Computers geschrieben werden, könnten multiferroische Festplatten in Zukunft sehr viel schneller elektrisch beschrieben werden.

Bis es soweit ist, ist es allerdings noch ein langer Weg. Derzeit werden erst die physikalischen Grundeigenschaften der relativ neuen Stoffklasse untersucht. Auch wurde bisher nie ein experimenteller Beweis erbracht, dass die magnetische Ordnung von Multiferroika hinreichend schnell geändert werden kann, um mit heutigen Festplatten zu konkurrieren. «Die bisher schnellste gemessene Änderung mittels elektrischer Spannung liegt im Bereich von Tausendstelsekunden», sagt Teresa Kubacka, Doktorandin in der Gruppe von ETH-Professor Steven Johnson. Zum Vergleich: Mit einem Magnetkopf lassen sich Daten schon heute eine Million Mal schneller auf einer Festplatte speichern.

In einem internationalen Forscherteam unter der Leitung von Wissenschaftlern der ETH Zürich und des Paul-Scherrer-Instituts (PSI) hat Kubacka nun experimentelle Hinweise gefunden, dass die magnetischen Momente der Multiferroika auch sehr viel schneller auf elektrische Spannung reagieren können – in weniger als einer Billionstelsekunde, also tausendmal schneller als sich heute Daten auf eine Festplatte schreiben lassen.

Magnetische Momente drehen sich leicht

Vergrösserte Ansicht: Vakuumkammer
Blick in die Vakuumkammer, in der die Eigenschaften eines Terbiummanganit-Kristalls mit einem Röntgenlaser untersucht wurden. (Bild: Teresa Kubacka / ETH Zürich)

Konkret untersuchten die Wissenschaftler das Material Terbiummanganit, dessen multiferroische Eigenschaften erst vor rund zehn Jahren entdeckt worden sind und das Physikern seither als Modellmaterial zur Erforschung dieser Eigenschaften dient. In Messungen mit einem Freie-Elektronen-Röntgen-Laser (siehe Kasten) im kalifornischen Stanford zeigten die Forschenden aus der Schweiz, dass die magnetischen Momente in einem mehrere Millimeter grossen Kristall dieses Stoffs nach einer bestimmten elektrischen Anregung innerhalb von 200 Femtosekunden ihre Richtung ändern. «Obschon andere Wissenschaftler bereits zuvor Multiferroika untersuchten, ist dies das erste Mal, dass magnetische Momente in einem Experiment derart schnell auf eine Änderung im elektrischen Feld reagierten», sagt Kubacka.

Die magnetischen Momente von Terbiummanganit drehten sich im Experiment zwar nicht komplett um 180 Grad, wie es für potenzielle Anwendungen interessant wäre, sondern «bloss» um 4 Grad. Für die im Experiment zur Anregung des Materials verwendeten elektrischen Felder entspricht dies allerdings den Voraussagen, die eine Gruppe von theoretischen Physikern aus Japan zuvor machte. Die Forschenden von der ETH und dem PSI bestätigten somit im Experiment teilweise diese Theorie. Diese sagt auch voraus, dass es mit ausreichend starken elektrischen Feldern möglich ist, die Richtung der magnetischen Momente komplett – um 180 Grad – umzukehren. Allerdings lassen sich heute in keiner Forschungseinrichtung so starke elektrische Felder erzeugen, womit sich diese Voraussage zurzeit nicht überprüfen lässt. Dennoch wecken die Ergebnisse laut Kubacka Hoffnung. «Aus heutiger Sicht scheint es zumindest nicht unmöglich, dass man die magnetischen Momente von multiferroischen Materialen dereinst ultraschnell komplett umkehren kann», sagt sie.

Kühlung nötig

Allerdings würden Anwendungen wie jene in der Datenspeicherung kaum je mit dem Modellmaterial Terbiummanganit umgesetzt, präzisiert die Forscherin. Denn es zeigt seine multiferroischen Eigenschaften erst bei Temperaturen tiefer als minus 246 Grad Celsius. In ihren Experimenten konnten die Forschenden das Material auf diese tiefen Temperaturen kühlen. Für die breite Anwendung dürften allerdings multiferroische Materialen Vorteile haben, die diese Eigenschaften auch bei Raumtemperatur aufweisen. Mindestens ein solches Material ist bereits bekannt.

Schnelle Vorgänge hochauflösend sichtbar machen

Ein Freie-Elektronen-Röntgen-Laser (FEL) ist eine Strahlungsquelle, mit der sogenannte Synchrotron-Röntgenstrahlung mit Lasereigenschaften erzeugt werden kann. Weil Synchrotron-Röntgenstrahlung sehr kurzwellig ist, können damit feinste Strukturen von der Grösse eines Atoms sichtbar gemacht werden. Klassische Synchrotron-Röntgenstrahlung kann jedoch nur in verhältnismässig langen Pulsen erzeugt werden. Mit der Lasertechnik hingegen lassen sich extrem kurze Lichtpulse erzeugen, wobei optische Laser den Nachteil haben, dass sie langwelliges Licht erzeugen. Beim FEL werden die Vorteile der Synchrotron-Röntgenstrahlung mit jenen von Lasern kombiniert. Es ist damit möglich, ultraschnell ablaufende Prozesse in einer hohen räumlichen und zeitlichen Auflösung (zehn Billiardstelsekunden) sichtbar zu machen.

FEL sind Forschungsgrosseinrichtungen, von denen es derzeit weltweit nur vier gibt. Der grösste davon steht an der Universität Stanford in den USA, wo die besprochene Forschungsarbeit durchgeführt wurde. Der sich im Bau befindende externe SeiteSwissFEL am Paul-Scherrer-Institut im aargauischen Würenlingen soll 2016 seinen Betrieb aufnehmen und Messungen in einer ähnlichen räumlichen und zeitlichen Auflösung ermöglichen.

Literaturhinweis

Kubacka T et al.: Large amplitude spin dynamics driven by a THz pulse in resonance with an electromagnon. Science, Online-Vorabveröffentlichung 6. März 2014, doi: externe Seite10.1126/science.1242862

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