Quantenfehler tolerierbarer gemacht

  • Institute for Quantum Electronics (IQE)
  • Quantenwissenschaften

Forschende in der Gruppe von Prof. Jonathan Home haben eines der wichtigsten Schemata für die Quantenfehlerkorrektur modifiziert und gezeigt, dass sie damit in Experimenten die Lebensdauer von Quantenzuständen erheblich verlängern können – eine entscheidende Komponente für künftige skalierbare Quantencomputer.

von Andreas Trabesinger
Vergrösserte Ansicht: Foto des Versuchsaufbaus
Der Aufbau, mit dem die Experimente von de Neeve und Kollegen [1] durchgeführt wurden. (Foto: ETH Zürich/D-PHYS Home-Gruppe)

In modernen Computern arbeiten Milliarden von Transistoren rastlos in nahezu perfekter Harmonie. Der Schlüssel zu annähernd perfekten Berechnungen in Geräten, die aus imperfekten Komponenten bestehen, liegt in der Digitalisierung und der Fehlerkorrektur. Letzteres umfasst Verfahren zur Erkennung und Korrektur von Ungenauigkeiten, sobald diese auftreten. Die Herausforderung, die Akkumulation von Fehlern zu verhindern, ist eine, der sich auch künftige Quantencomputer stellen müssen – in der Tat stellt sie das Haupthindernis für die Realisierung praktisch nützlicher Berechnungen dar. Die Werkzeuge, die für klassische Computer perfektioniert wurden, können jedoch nicht direkt auf Quantencomputer angewandt werden, die nach anderen Regeln spielen, nämlich denen der Quantenmechanik. In den vergangenen Jahrzehnten wurden geniale Lösungen für die Quantenfehlerkorrektur vorgeschlagen, und in letzter Zeit gab es ermutigende Fortschritte bei der Implementierung solcher Methoden in heutige Quantencomputer. In der Fachzeitschrift Nature Physics [1] berichtet nun die Gruppe von Prof. Jonathan Home vom Institut für Quantenelektronik über eine solche experimentelle Umsetzung. Diese zeichnet sich dadurch aus, dass sie wichtige Einschränkungen physikalisch realistischer Geräte berücksichtigt und im Vergleich zu anderen vorgeschlagenen Fehlerkorrekturverfahren relativ einfach zu implementieren ist, was die Relevanz der Demonstration für praktische Quantenberechnungen erhöht.

Ein Quäntchen Imperfektion erlauben

Die Art und Weise wie in Quantencomputern Information verarbeitet wird unterscheidet sich grundlegend von derjenigen in ihren klassischen Gegenstücken. Dies eröffnet einzigartige Möglichkeiten hinsichtlich Rechenleistung, erfordert aber auch neuartige Strategien für den Umgang mit Fehlern, die bei den Berechnungen auftreten. Insbesondere kann Quanteninformation nie perfekt dupliziert werden, und Messungen verändern unweigerlich die fragilen Quantenzustände. Mit etwas kreativem Umdenken ist es jedoch möglich, Verfahren für Messungen zu entwickeln, die uns sagen können, ob die Quanteninformation gestört wurde. Wie bei der klassischen Fehlerkorrektur liegt der Schlüssel darin, Redundanz zu nutzen.

Unter den innovativen Ideen, die für die Quantenfehlerkorrektur entwickelt wurden, ist der so genannte Gottesman-Kitaev-Preskill (GKP)-Code besonders vielversprechend. Er nutzt die flexible Steuerung eines einzigen schwingenden Systems – eines Oszillators – und vermeidet damit, dass eine Vielzahl verschiedener individueller physikalischer Träger von Quanteninformation gesteuert werden müssen. Der GKP-Code kodiert diskrete Quanteninformation im kontinuierlichen Raum eines Quantensystems und erzwingt damit, dass das System an regelmässig angeordneten Punkten positioniert wird, die einen Kamm mit Zähnen in festen Abständen bilden. Dadurch wird der Raum effektiv digitalisiert (siehe Abbildung unten). Die Information wird in der Grösse der Kammzähne gespeichert. Kleine Positionsverschiebungen des Kammes können korrigiert werden, solange sie nicht zu einer Überschneidung benachbarter Zähne führen. Dieses Verfahren wurde 2001 vorgeschlagen, aber erst 2020 wurde die Fehlerkorrektur mit GKP-Codes experimentell demonstriert, wobei der Grad der erreichbaren Fehlerkorrektur etwas begrenzt war. Das liegt daran, dass der GKP-Code nur für Quantenzustände mit unendlicher Energie exakt ist, während in Experimenten Zustände nur endliche Energie haben können. Brennan de Neeve, ein Doktorand in der Home-Gruppe, Dr. Thanh-Long Nguyen, ein Postdoktorand dort, und Tanja Behrle, eine weitere Doktorandin, haben nun genau dieses Problem in Angriff genommen.

Im Gottesman-Kitaev-Preskill (GKP)-Code wird diskrete Quanteninformation im kontinuierlichen Raum eines Quantensystems kodiert, indem das System an regelmässig angeordneten Punkten positioniert wird, die einen Kamm mit Zähnen in festen Abständen bilden und so den Raum digitalisieren. (Bild: Christa Flühmann, ETH Zürich / Shutterstock)
Im Gottesman-Kitaev-Preskill (GKP)-Code wird diskrete Quanteninformation im kontinuierlichen Raum eines Quantensystems kodiert, indem das System an regelmässig angeordneten Punkten positioniert wird, die einen Kamm mit Zähnen in festen Abständen bilden und so den Raum digitalisieren. (Bild: Christa Flühmann, ETH Zürich / Shutterstock)

Mit der Endlichkeit umgehen lernen

Das Team verwendete eine Plattform, bei der die Quanteninformation in der mechanischen Oszillatorbewegung eines einzelnen gefangenen Ions kodiert ist. Dies ist dasselbe System, mit dem die Home-Gruppe Pionierarbeit bei der Erzeugung und Kontrolle logischer Zustände des GKP-Codes geleistet hat [2]. Aufbauend auf diesen Fähigkeiten haben de Neeve et al. nun ein neuartiges Messverfahren entwickelt und implementiert, das für Zustände mit endlicher Energie optimiert ist. Ihr Ansatz ist relativ einfach zu realisieren, da er auf Dämpfungsprozesse zurückgreift und so eine Messung des Quantenzustands und eine anschliessende klassisch kontrollierte Rückkopplung vermeiden. Bei der Anwendung der neuen Methode in der Praxis haben sie eine effiziente Korrektur unerwünschter Verschiebungen in der Bewegung ihres Quantenoszillators nachgewiesen. Dadurch verlängerten sie die Kohärenzzeit (im Wesentlichen die Lebensdauer des Quantenzustands) um einen Faktor drei. Damit hat das Team einen neuen Massstab für Quantencomputersysteme gesetzt.

Solche verlängerten Kohärenzzeiten sind wichtig, da sie sich direkt in mehr Zeit für die Ausführung von Quantenberechnungen niederschlagen – eine wichtige "Währung" für praktische Geräte. Die Arbeit befasst sich daher mit einer der grossen Herausforderungen auf dem Gebiet des Quantencomputings. Darüber hinaus nutzt der neue Ansatz Varianten etablierter Techniken aus dem Werkzeugkasten der experimentellen Quantenphysik, was die Zuversicht weckt, dass er noch weiter vorangetrieben werden kann. In Verbindung mit Fortschritten an anderen Fronten bringt uns dies dem Ziel näher, Quantencomputer in die Lage zu versetzen, Berechnungen mit beliebiger Präzision durchzuführen, selbst wenn sie aus fehleranfälligen Komponenten bestehen.

Literaturhinweise

1. de Neeve B, Nguyen TL, Behrle T, Home JP: Error correction of a logical grid state qubit by dissipative pumping. Nature Physics online 7 February 2022. externe SeiteDOI: 10.1038/s41567-021-01487-7

2. Flühmann C, Nguyen TL, Marinelli M, Negnevitsky V, Mehta K, Home JP: Encoding a qubit in a trapped-ion mechanical oscillator. Nature 566, 513–517 (2019). externe SeiteDOI: 10.1038/s41586-019-0960-6

Weiterführende Literatur

Puri S: Noise phased out. Nature Physics online 7 February 2022. externe SeiteDOI: 10.1038/s41567-021-01486-8 (News-&-Views-Artikel)

 

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