Die Nebenwirkungen der Quantenfehlerkorrektur und Mittel dagegen

  • Institute for Quantum Electronics (IQE)
  • Quantenwissenschaften

Es ist allgemein bekannt, dass die Quantenfehlerkorrektur die Leistung von Quantensensoren verbessern kann. Eine neue theoretische Arbeit zeigt nun jedoch, dass dieser Ansatz unerwartet auch zu ungenauen und irreführenden Ergebnissen führen kann – und zeigt, wie diese Schwächen behoben werden können.

von Andreas Trabesinger
Symbolbild einer geraden Strasse
(Bild: Michael Smith ITWP/Shutterstock)

Quantensysteme können miteinander und mit ihrem Umfeld auf eine Weise interagieren, die sich grundlegend von derjenigen ihrer klassischen Pendants unterscheidet. In einem Quantensensor werden die Besonderheiten dieser Wechselwirkungen ausgenutzt, um charakteristische Informationen über die Umgebung des Quantensystems zu erhalten, zum Beispiel die Stärke eines magnetischen und elektrischen Feldes, in das es eingetaucht ist. Entscheidend ist, dass ein solcher Sensor, wenn er die Gesetze der Quantenmechanik in geeigneter Weise nutzt, eine höhere Empfindlichkeit erreichen kann, als dies mit herkömmlichen, klassischen Technologien selbst im Prinzip möglich ist. Leider sind Quantensensoren jedoch nicht nur äusserst empfindlich gegenüber den physikalischen Grössen, die man messen möchte, sondern auch gegenüber Störungen wie etwa jene, die von Rauschquellen herrühren. Eine Möglichkeit, diese unerwünschten Beiträge zu unterdrücken, besteht in der Anwendung von Verfahren, die unter dem Überbegriff Quantenfehlerkorrektur (engl. quantum error correction, QEC) bekannt sind. Diesem Ansatz wird immer mehr Aufmerksamkeit geschenkt, da er hochpräzise Quantensensoren für ein breiteres Spektrum von Anwendungen ermöglichen könnte, als dies heute in der Praxis möglich ist. Doch die Vorteile der fehlerkorrigierten Quantensensorik gehen mit erheblichen potenziellen Nebenwirkungen einher, wie ein Team unter der Leitung von Florentin Reiter, einem Ambizione-Stipendiaten des Schweizerischen Nationalfonds, der in der Gruppe von Jonathan Home am Institut für Quantenelektronik arbeitet, nun herausgefunden hat. In der Fachzeitschrift Physical Review Letters präsentieren sie theoretische Arbeiten, in denen sie zeigen, dass QEC unter realistischen Bedingungen den Output von Quantensensoren verzerren und sogar zu unphysikalischen Ergebnissen führen kann. Aber es besteht Hoffnung – die Forschenden beschreiben auch Verfahren, wie man die korrekten Ergebnisse wiederherstellen kann.

Ein Spurhalteassistent für Quantensensoren

Bei der Anwendung von QEC in der Quantensensorik werden Fehler wiederholt korrigiert, während der Sensor Informationen über die Zielgrösse aufzeichnet. Man stelle sich als Analogie dazu ein Auto vor, das immer wieder von der Mitte der Fahrspur abdriftet. Im Idealfall wird die Abweichung durch konstantes Gegenlenken korrigiert. In dem entsprechenden Szenario für Quantensensoren hat sich gezeigt, dass durch ständige – oder sehr häufige – Fehlerkorrekturen die schädlichen Auswirkungen des Rauschens zumindest im Prinzip vollständig unterdrückt werden können. Anders verhält es sich, wenn der Fahrer aus praktischen Gründen nur zu bestimmten Zeitpunkten korrigierende Eingriffe mit dem Lenkrad vornehmen kann. Dann muss, wie wohl viele aus Erfahrung wissen, die Abfolge von Vorausfahren und Lenkbewegungen fein abgestimmt sein. Wäre die Reihenfolge egal, dann könnte die Autofahrerin bzw. der Autofahrer einfach alle Lenkmanöver zu Hause in der Garage durchführen und dann souverän den Fuss auf das Gaspedal setzen. Der Grund, warum das nicht zielbringt ist, liegt darin, dass Rotation und Translation nicht kommutativ sind – die Reihenfolge, in der die Aktionen der einen oder anderen Art ausgeführt werden, verändert das Ergebnis.

Für Quantensensoren kann sich eine ähnliche Situation mit nicht-kommutierenden Aktionen ergeben, insbesondere für die «Abtast-Aktion» und die «Fehler-Aktion». Erstere wird durch den Hamilton-Operator des Sensors beschrieben, letztere durch Fehleroperatoren. Nun hat Ivan Rojkov, ein Doktorand, der an der ETH mit Reiter zusammenarbeitet und mit Forschenden am Massachusetts Institute of Technology (MIT) kooperiert, herausgefunden, dass die Sensorausgabe eine systematische Verzerrung – oder «Drift» – erfährt, wenn es eine Verzögerung zwischen einem Fehler und seiner nachfolgenden Korrektur gibt. Je nach Länge dieser Verzögerungszeit wird die Dynamik des Quantensystems, die im Idealfall allein durch den Hamilton-Operator bestimmt werden sollte, durch die Interferenz der Fehleroperatoren verunreinigt. Das Ergebnis ist, dass der Sensor während der Verzögerung typischerweise weniger Informationen über die Messgrösse, z. B. ein magnetisches oder elektrisches Feld, erhält als in der Situation, in der kein Fehler aufgetreten wäre. Diese unterschiedlichen Geschwindigkeiten bei der Informationserfassung führen dann zu einer Verzerrung der Ausgabe (siehe Abbildung).

Diagramm, das die Dynamik eines Quantensensors für ein ideales Signal und für die verrauschte Situation, mit und ohne Fehlerkorrektur, zeigt.
Die Dynamik eines Quantensensors. Fehler wie Rauschen führen zu einer Dämpfung des Signals im Vergleich zum Idealfall. Die Quantenfehlerkorrektur mit endlicher Rate kann erhebliche Teile der verlorenen Signalstärke wiederherstellen, verschiebt aber auch die Messfrequenz, was zu einem progressiven Aufbau einer Verzerrung führt (dargestellt als graue Balken). Angepasst von Rojkov et al. Phys. Rev. Lett. 128, 140503 (2022).

Sensible Sensorik

Diese QEC-induzierte Verzerrung ist von Bedeutung. Bleibt sie unberücksichtigt, dann könnten beispielsweise Schätzungen für das Mindestsignal, das der Quantensensor erkennen kann, zu optimistisch ausfallen, wie Rojkov et al. zeigen. Bei Experimenten, die an die Grenzen der Präzision gehen, sind solche falschen Schätzungen besonders trügerisch. Aber das Team bietet auch einen Ausweg, um die Verzerrung zu überwinden. Das Ausmass der Verzerrung durch die QEC mit endlicher Rate kann berechnet und durch geeignete Massnahmen in der Nachbearbeitung korrigiert werden, so dass die Sensorausgabe wieder vertrauenswürdig ist. Die Berücksichtigung der Tatsache, dass die QEC zu systematischen Verzerrungen führen kann, kann auch dabei helfen, vor der Messung ein ideales Messprotokoll aufzusetzen.

Da der in dieser Arbeit identifizierte Effekt in verschiedenen gängigen fehlerkorrigierten Quantensensoren vorhanden ist, werden diese Ergebnisse einen wichtigen Beitrag dazu leisten, aus einer breiten Palette von Quantensensoren die höchste Präzision herauszuholen – und sie auf dem richtigen Weg halten, um ihr Versprechen einzulösen, uns in Bereiche zu führen, die mit klassischen Sensoren nicht erforscht werden können.

Literaturhinweis

Rojkov I, Layden D, Cappellaro P, Home J, Reiter F: Bias in Error-Corrected Quantum Sensing. Phys. Rev. Lett. 128, 140503 (2022). externe SeiteDOI: 10.1103/PhysRevLett.128.140503. Preprint: externe Seitearxiv:2101.05817

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