Onkel Dagobert entdeckt die kosmischen Myonen

Luigi Marchese, Forscher am Institut für Teilchen- und Astrophysik und seine Zusammenarbeit mit dem Verlag Panini für die bekannte italienische Comicserie «Topolino».

von Gaia Donati

Lange bevor er als Physiker die Daten des CMS-Detektors am CERN analysierte und am Institut für Teilchen- und Astrophysik der ETH Zürich forschte, war Dr. Luigi Marchese ein neugieriges Kind. So investierte er damals sein wöchentliches Taschengeld in die jeweils neuste Ausgabe von «Topolino»; eine sehr beliebte Comic-Serie mit Disney-Figuren, die von Panini im Rahmen einer Lizenzvereinbarung mit Walt Disney herausgegeben wird.

Im Frühjahr 2020, die Schulen in Italien waren aufgrund der COVID-Pandemie geschlossen, schilderten ihm immer mehr seiner Verwandten, dass sie mit ihren Kindern daheim praktisch eingesperrt seien und diese nur noch virtuell unterrichtet würden.
Die schwierigen Bedingungen, unter denen viele Eltern daheim ihrer Arbeit nachgingen und gleichzeitig auch ihre Kinder bei den Schularbeiten unterstützen mussten, beschäftigten Luigi Marchese. Er begann darüber nachzudenken, wie man junge Menschen auf neue und kreative Weise für die Wissenschaft begeistern könnte. Vielleicht könnten die Comics, die er in seiner Kindheit so oft las, ein unterhaltsames Format zur Entdeckung der Wissenschaft bieten? So nahm er Kontakt mit dem Verlag von «Topolino» auf, was zu einem erfolgreichen Outreach-Projekt führte, in dessen Rahmen er ein kleines Expertenteam zusammenstellte. Dieses Team arbeitete zusammen mit den Autoren und Zeichnern der beliebten Comicserie an drei Geschichten zum Thema Wissenschaft.

externe SeiteDie erste Geschichte, die auf dem wissenschaftlichen Beitrag von Dr. Teresa Fornaro, Forscherin für Astrobiologie am Italienischen Astrophysikalischen Observatorium (INAF) in Florenz, beruht, wurde im Juli 2022 veröffentlicht und handelt von der Suche nach Leben auf dem Mars. externe SeiteDie zweite Geschichte erschien im Sommer 2023 und ist diejenige, zu der Marchese am meisten beigetragen hat. In dieser Geschichte ermöglichen es Onkel Dagobert die Myonen-Tomographie und die Radiographie, strukturelle Schwächen im Geldspeicher zu erkennen die dringend behoben werden müssen, während er gleichzeitig die Panzerknacker von seinen geliebten Dollars fernhalten muss. Das Erscheinungsdatum der Geschichte wurde so gewählt, um die Entdeckung des Higgs-Teilchens am 4. Juli 2012 zu feiern - eine Leistung, bei der Myonen eine entscheidende Rolle spielten. externe SeiteDie dritte Geschichte, die in Zusammenarbeit mit Professorin Alessandra Corsi, einer auf Multimessenger-Astronomie spezialisierten Astronomin an der Texas Tech University in den USA, entstand, wurde am 13. September 2023 veröffentlicht, um den achten Jahrestag der ersten Beobachtung von Gravitationswellen zu feiern. Die Geschichte handelt von einer Weltraumreise zu einer Neutronenstern-Fusion. Denn dem gierigen Onkel Dagobert ist keine Reise zu weit, um neue Goldquellen zu finden.

Wir haben mit Luigi Marchese über seine Erfahrungen bei diesem ungewöhnlichen Projekt gesprochen. Und auch darüber, was er Forscherinnen und Forschern raten würde, die ähnliche Pläne haben.

Luigi Marchese
Luigi Marchese ist Mitglied der Dissertori-Gruppe im Institut für Teilchenphysik und Astrophysik und arbeitet am CERN als Mitglied der CMS-Kollaboration. (ETH Zürich/D-PHYS/Kilian J. Kessler)

Wie ist die Zusammenarbeit mit Panini zustande gekommen?

Im Jahr 2020 nahm ich zum ersten Mal Kontakt mit dem Verlag auf. Im Sommer 2021 gab mir der Direktor von «Topolino» grünes Licht ein Team wissenschaftlicher Mitarbeiter für die Arbeit an bis zu fünf wissenschaftlich inspirierten Geschichten zusammenzustellen. Im Herbst desselben Jahres wandte ich mich an mehrere Kollegen. Nachdem ich Experten für alle ursprünglich geplanten Themen gefunden hatte, wurden jedem von uns ein Drehbuchautor und ein Zeichner zugeteilt, um die Geschichte genauer entwickeln zu können; d. h. die Figuren auszuwählen und die Handlung zu verfeinern. Letztendlich wurden drei Geschichten veröffentlicht.

Welche Wirkung erhoffen Sie sich von der Geschichte in «Topolino», zu der Sie direkt beigetragen haben? Und welche Kompromisse sind Sie bei der Arbeit daran eingegangen?

Ich wäre unglaublich stolz, wenn ich in 10 bis 15 Jahren feststellen könnte, dass mindestens ein junger Leser von «Topolino» nach der Lektüre meiner Geschichte eine solche Faszination für die Wissenschaft entwickelt hat, dass er oder sie Wissenschaftler geworden ist... Noch besser wäre es, wenn er oder sie dann auch noch als Physikerin oder Physiker am CERN arbeiten würde! Das wäre meine Art «Topolino» etwas zurückzugeben, denn durch Figuren wie den Erfinder Daniel Düsentrieb und den Archäologen Indiana Goof habe ich als Kind die Wissenschaft entdeckt.
 

Sketch einer Myonen-Tomographie des Geldspeichers
Daniel Düsentrieb zeigt Donald Duck wie die Myonen-Tomographie des Geldspeichers durchgeführt wird und erklärt warum zwei Detektoren benötigt werden: einer innerhalb und einer außerhalb des Geldspeichers. (Image: Disney, taken from Topolino n. 3527, "Zio Paperone e l'Inghippo del Muone")

Was die Kompromisse betrifft, so musste ich die Winkelverteilung der kosmischen Myonen berechnen und mir die Zusammensetzung des Geldspeichers vorstellen; für Letzteres liess ich mich von einem Vorschlag inspirieren, die Myonentomografie zur Untersuchung der Kuppel von Brunelleschi in Florenz einzusetzen. Als ich Gefahr lief mich in meinen Berechnungen zu verzetteln, erinnerte mich das «Topolino»-Team, das mit der Arbeit an meiner Geschichte betraut war, daran, dass wir einen sorgfältigen Kompromiss finden mussten: eine Geschichte, die wissenschaftlich korrekt und für die Leserinnen und Leser spannend ist, dabei aber innerhalb der Grenzen der Comicserie bleibt: jede Geschichte hat in der Regel einen Umfang von 10 bis 12 Seiten.

Das Ende meiner Geschichte war das Ergebnis weiterer Kompromisse. Als Onkel Dagobert, Daniel Düsentrieb und Donald Duck die Myonen-Radiographie eines Berges durchführen, der angeblich eine grosse Menge Gold verbirgt, ist das Ergebnis der Messung sofort verfügbar. Das war aus erzählerischen Gründen notwendig, ist aber wissenschaftlich ungenau: Es würde Monate dauern genügend Daten für eine vernünftige Radiographie zu sammeln. Ich wies auf dieses Problem hin und wir diskutierten verschiedene Möglichkeiten. Das Team von «Topolino» schlug dann vor, die Messung in der Geschichte sofort durchzuführen, sie aber später als Fälschung zu entlarven, d. h. als eine Farce, die Onkel Dagobert inszeniert hat, um die Panzerknacker mit der Aussicht auf einen noch grösseren Schatz als den von Dagobert, vom Geldspeicher wegzulocken.

Daniel Düsentrieb erzählt Onkel Dagobert von kosmischen Myonen.
Daniel Düsentrieb erzählt Onkel Dagobert von kosmischen Myonen. (Image: Disney, taken from Topolino n. 3527, "Zio Paperone e l'Inghippo del Muone")

Auf Ihre Geschichte folgte ein kurzer Interview-Artikel, in dem Sie Ihre tägliche Recherche beschrieben. Das Interview schloss mit der Aufforderung Fragen an «Topolino» zu stellen, damit Sie sie beantworten können. Welche Art von Feedback haben Sie bisher von den Lesern erhalten?

Ich wurde über das CERN und die Rolle der Myonen bei der Entdeckung des Higgs-Bosons befragt - eine Frage, die ich erwartet hatte. Die Frage eines zehnjährigen Kindes war überraschender: Es wollte wissen, warum wir griechische Buchstaben für Elementarteilchen verwenden und ob es italienische Buchstaben gibt, die sie übersetzen. Es ist lustig, dass diese Frage kam, denn ich habe darauf bestanden, dass wir in der Geschichte den griechischen Buchstaben µ verwenden. Ich erfuhr dann, dass der anfängliche Widerstand des Panini-Teams daher rührte, dass die griechischen Buchstaben nicht zu ihrem Standardsatz für Schriften gehörten, so dass sie die Sprechblasen jeweils extra bearbeiten mussten.

Was raten Sie Kollegen, die ähnliche Aktivitäten ausprobieren möchten?

Meine Empfehlung lautet: Tun Sie es! Die Fähigkeiten, die Sie bei dieser Art von Öffentlichkeitsarbeit entwickeln, sind in hohem Masse übertragbar: Die Fähigkeit, Ihre Forschung in einfachen und ansprechenden Worten zu präsentieren ist für die Arbeit an einer Comicserie ebenso nützlich wie für die Anfrage an eine Fördereinrichtung. Außerdem ist es eine gute Möglichkeit sich selbst daran zu erinnern, was die eigene Forschung so faszinierend macht. Rechnen Sie damit, dass diese Art von Projekt mehr Zeit in Anspruch nimmt als Sie vielleicht erwarten würden. Sie werden vor der Herausforderung stehen ein Thema so zu präsentieren, dass es für ein breites Publikum zugänglich ist, und Sie werden sich dabei ertappen, wie Sie Abhandlungen lesen und die Komplexität Ihres Forschungsthemas in leichter verdauliche Botschaften destillieren. Seien Sie bereit Kompromisse einzugehen, aber auch Ihren Standpunkt zu vertreten, wenn er wichtig ist. Wenn Sie bei einigen Aspekten auf Ablehnung stossen, versuchen Sie die Beweggründe zu verstehen - ist es nur weil es vom Standard oder der Routine abweicht, so wie es bei meiner Forderung nach Verwendung eines griechischen Buchstabens zur korrekten Bezeichnung des Myons der Fall war? Versuchen Sie zu verstehen, wie weit Sie gehen können. Natürlich ist es hilfreich, Mitarbeiter zu finden die aufgeschlossen sind, um sich auf Sie als Forschenden einzulassen, was bei dem Team von «Topolino» der Fall war.

Für das CERN werde ich einen Artikel über meine Erfahrungen mit der Öffentlichkeitsarbeit publizieren und dort dann weitere Einzelheiten über dieses Projekt mitteilen.

 

Aus dem Englischen übersetzt von Kilian Kessler

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