Irrfahrt zum Frequenzkamm

Mit Hilfe eines Random Walks, der durch Modulation eines Quantenkaskadenlasers erzeugt wird, haben Forscherinnen und Forscher des Instituts für Quantenelektronik der ETH Zürich einen neuartigen Frequenzkamm realisiert.

von Oliver Morsch
Eine behandschuhte Hand, die den im Experiment verwendeten Chip hält
Ina Heckelmann hält den Halbleiterchip, der zur Erzeugung des Random-Walk-Frequenzkamms verwendet wird. (Bild: ETH Zürich/D-PHYS/Kilian J. Kessler)

Physikerinnen und Physiker verwenden gerne anschauliche Bilder um komplexe Vorgänge zu beschreiben. Ein Beispiel dafür ist der so genannte Random Walk, also eine Zufallsbewegung oder Irrfahrt, bei der ein Spaziergänger sich an jeder Weggabelung zufällig für eine Richtung entscheidet. Mit einem solchen Random Walk lässt sich zum Beispiel die brownsche Bewegung von Molekülen in einem klassischen Gas modellieren. Wendet man den Random Walk dagegen in der Quantenphysik an, so ergeben sich zusätzliche Phänomene, die von der Wellennatur der Teilchen und den damit verbundenen Überlagerungs- und Interferenzeffekten herrühren.

Ina Heckelmann und Kolleginnen und Kollegen aus der Gruppe von Jérôme Faist und Giacomo Scalari am Institut für Quantenelektronik der ETH Zürich haben einen solchen quantenmechanischen Random Walk nun dazu benutzt, einen neuartigen Frequenzkamm im mittleren Infrarotbereich zu erzeugen, der extrem stabil ist und gleichzeitig ein einstellbar breites Frequenzspektrum aufweist. Ihre Ergebnisse wurden soeben in der Fachzeitschrift Science veröffentlicht.

Schnelle Modulation der Laserverstärkung

Frequenzkämme sind Laserstrahlen mit einem Frequenzspektrum, das aus regelmässig angeordneten schmalen Frequenzlinien besteht. Erzeugen kann man solche Kämme auf verschiedene Weise, etwa mit Hilfe eines modengekoppelten Lasers, der regelmässige kurze Laserpulse erstellt, oder durch Vier-Wellen-Mischung in einem nichtlinearen Medium. Heckelmann und Kolleg:innen stiess nun auf eine weitere Möglichkeit, deren Grundlagen bereits Mitte der 70er Jahre von dem slowenisch-amerikanischen Forscher Hermann A. Haus theoretisch beschrieben wurden: die aktive Modenkopplung durch schnelle Modulation der Verluste des Resonators oder der Phase des Umlaufs. Zu jener Zeit begrenzten jedoch die verfügbaren Verstärkungsmedien die Leistung solcher Laser auf Kämme mit engen Pulsspektren.

In den neunziger Jahren erfand dann Jérôme Faist gemeinsam mit Federico Capasso den Quantenkaskadenlaser (QCL), in dem sich Elektronen zwischen den Quantentöpfen in einem aus dünnen Schichten aufgebauten Halbleitermaterial bewegen und dabei Licht aussenden. Durch Anlegen eines elektrischen Feldes kann die Verstärkung dieses aktiven Mediums verändert werden – und zwar innerhalb Hunderter von Femtosekunden. Das macht es möglich, einen QCL in Ringform (oder Ring-QCL) herzustellen, bei dem die Verstärkung synchron mit dem im Ring zirkulierenden Licht moduliert wird, pro Umlauf (‹round-trip› auf Englisch) also eine Modulationsperiode.

Zur Herstellung eines Ring-QCLs wird ein ringförmiger Wellenleiter aus der aktiven Region (bestehend aus InGaAs/InAlAs-Schichten) auf einem Halbleiterchip gefertigt. Als Faist und seine Kolleg:innen nun eine oszillierende Spannung an die aktive Region anlegten, deren Periode mit der Umlaufzeit des Infrarotlichts im Laser übereinstimmte, bemerkten sie, dass das vom Laser abgestrahlte Licht ein sehr breites Frequenzspektrum mit regelmässig angeordneten Frequenzlinien aufweist – einen Frequenzkamm also.

Schematische Darstellung des Experimentaufbaus und des QCL-Outputs
Um einen Random-Walk-Frequenzkamm mit abstimmbarer Bandbreite zu erhalten, verwendeten Heckelmann und Kolleg:innen einen eiförmigen Wellenleiter für den Ring-QCL, in den sie dann eine oszillierende Spannung anlegten. (Bild: ETH Zürich/Ina Heckelmann)

Random Walk im Frequenzraum

Die Ergebnisse von Heckelmann und Kolleg:innen klären nun durch experimentelle Charakterisierung und mathematische Modellierung, was im Inneren des Ring-QCLs passiert und wie sich der Frequenzkamm bildet: Durch die periodische Modulation der Laserverstärkung und der Phase des Umlaufs in der aktiven Region vollführte das Licht einen Random Walk – allerdings nicht in den drei Raumdimensionen, sondern im Frequenzraum, der auch als synthetische Dimension bezeichnet wird. Bei jedem Umlauf des Lichts wird durch die Modulation nämlich eine Kopplung zwischen den durch die Interferenz im Ring-QCL gleichmässig angeordneten Frequenzlinien erzeugt. Jedes Mal kann sich das Laserlicht (der Spaziergänger) dann ‹entscheiden›, ob es zur nächsthöheren oder -niedrigeren Frequenz wandert. Da diese Prozesse kohärent sind, ergibt sich ein quantenmechanischer Random Walk, was zu einer sehr breiten und recht gleichmässigen Verteilung der Intensität bei den verschiedenen Frequenzen führt. Im Gegensatz dazu würde man bei einem typischen Medium mit langsamer Verstärkung eine engere, der Gaußschen Glockenkurve ähnliche Verteilung erwartet.

Bessere Auskopplung durch Ei-Form

Um diesen Frequenzkamm praktisch nutzbar zu machen, musste das Team nun noch einen Weg finden, das Laserlicht präferenziell in einer Richtung auszukoppeln. Ringlaser strahlen nämlich ihr Licht in der Regel isotrop ab. Indem sie statt eines runden einen eiförmigen Wellenleiter benutzten, konnten die Forscher:innen die Auskopplungseffizienz des Lasers an einer Stelle maximieren, ohne die anderen Eigenschaften des Lasers zu beeinträchtigen. Dazu optimierten sie ein so genanntes Hügelschäffer-Ei, eine mathematische Formel, die mit drei Parametern verschiedenförmige Eier beschreibt. Die Eiform sorgt dafür, dass die lokalen Krümmungsradien des Wellenleiters so verteilt sind, dass nur an der vorbestimmten Stelle eine besonders hohe Abstrahlung zu erwarten ist.

Mögliche Anwendungen für den Random-Walk-Frequenzkamm sieht das Team zunächst beispielsweise in der Spurengasanalyse, mit der man spektroskopische Fingerabdrücke von sehr schwach konzentrierten Molekülen in einem Gas nachweisen kann.  Da der neue Frequenzkamm äusserst stabil ist, kommen auch metrologische Anwendungen in Frage, für die man zuverlässige Referenzfrequenzen benötigt. Demnächst wollen die Forschenden zudem versuchen, den Wellenlängenbereich des Frequenzkamms in den nahen Infrarotbereich auszuweiten, wodurch dann eine Einkopplung in Glasfaserkabel und damit Anwendungen in der Telekommunikation in Reichweite wären. Schliesslich könnte man die durch die Modulation einstellbare Breite des Kamms auch für miniaturisierte spektroskopische Anwendungen auf einem Chip nutzbar machen, die ohne verstellbare Spiegel auskommen.

Literaturhinweis

Heckelmann, I. et al. Quantum walk comb in a fast gain laser. Science 382, 434-438 (2023). externe SeiteDOI:10.1126/science.adj3858

Weitere Lektüre

Haus, H.A. A theory of forced mode locking. IEEE Journal of Quantum Electronics 11, 323-330 (1975). externe SeiteDOI:10.1109/JQE.1975.1068636

Faist, J. et al. Quantum cascade laser. Science 264, 553-556 (1994). externe SeiteDOI:10.1126/science.264.5158.553

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