Quantennarben als Weg aus der Thermalisierung

Forscher untersuchten, wie Quanten-Vielteilchen-Narben, also Zustände, die der Thermalisierung widerstehen, in einer Vielzahl von Systemen experimentell untersucht und so für Anwendungen der Quanteninformationsverarbeitung nutzbar gemacht werden können.

von Gaia Donati
A fermionic lattice
Ein fermionisches Gitter, wie es Kolb und Pakrouski in ihrer Arbeit betrachten. (Bild: ETH Zürich/Patrice Kolb and Kiryl Pakrouski)

Der Bau eines Quantencomputers ist keine leichte Aufgabe, unter anderem weil Quanteninformationen in extrem empfindlichen Quantenzuständen gespeichert werden, während Daten in klassischen Computern mit einfachen binären Zuständen, die Nullen und Einsen entsprechen, codiert werden. Aufgrund der Empfindlichkeit der Quantenressourcen müssen viele Quantencomputersysteme auf Temperaturen von etwa -270 Grad Celsius gekühlt werden, um eine Thermalisierung zu vermeiden, die weithin als das einzig mögliche Schicksal für Zustände mit niedriger Entropie in wechselwirkenden Quantensystemen bei endlichen Temperaturen angesehen wird.

Die Thermalisierung beschreibt, was passiert, wenn ein gut organisierter Quantenzustand mit der Zeit immer chaotischer wird und seine Struktur und damit die darin gespeicherte Quanteninformation verliert. Jüngste experimentelle Beobachtungen an Spinketten führten zu überraschenden Ergebnissen, die mit diesem allgemein akzeptierten Bild unvereinbar sind. Theoretisch weiss man jetzt, dass es idealisierte Bedingungen für den Hamiltonian eines Quantensystems gibt, die einen Unterraum von Quantenzuständen, die so genannten Quanten-Vielkörper-Narben, hervorbringen, die nicht thermisch werden und stattdessen die ursprünglich gespeicherte Quanteninformation auf unbestimmte Zeit bewahren können. Theoretische Studien deuten darauf hin, dass eine breite Klasse von reinen Festkörpermaterialien für die Aufnahme von Quantennarben geeignet ist. Da diese exotischen Quantenzustände bei relativ hohen Temperaturen entstehen, könnten sie weniger anfällig und für einige künftige Quantencomputersysteme praktischer sein.

Der theoretische Physiker Kiryl Pakrouski und Patrice Kolb, der im Anschluss an sein Physik-Masterstudium an der ETH Zürich am Departement für Informationstechnologie und Elektrotechnik promovierte, wollten mehr Informationen darüber sammeln, was mit Quantennarben passiert, wenn sie sich unter realen Bedingungen bilden, d. h. wenn das Wirtsmaterial im Festkörper gestört wird. Ihre Ergebnisse, die Ende 2023 in PRX Quantum veröffentlicht wurden, zeigen, dass es Störungen gibt zum Beispiel angelegte Magnetfelder , die einige Quanten-Vielteilchennarben in den von ihnen betrachteten fermionischen Systemen nicht beeinflussen. Wenn jedoch Quantennarben betroffen sind, schlagen die Forscher neue quantitative Masse vor, die helfen sollen, das Ausmaß zu charakterisieren, in dem die Stabilität der Narben nachlässt. Kolb und Pakrouski hoffen, dass ihre Ergebnisse eine nützliche Hilfestellung bieten und so weitere experimentelle Untersuchungen von Quantennarben in verschiedenen Festkörpersystemen erleichtern.

 

Dieser Artikel basiert auf einer Zusammenfassung, die von Patrice Kolb und Dr. Kiryl Pakrouski für die American Physical Society, den Herausgeber von PRX Quantum, verfasst wurde.

 

Aus dem Englischen übersetzt von Kilian Kessler

 

Referenz

Kolb, P. & Pakrouski, K. Stability of the Many-Body Scars in Fermionic Spin-1/2 Models. PRX Quantum 4, 040348 (2023). externe SeiteDOI:10.1038/s41567-023-02239-5

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