Vom Prototypen zum Produkt

Ein Interview mit D-PHYS-Absolventen Dr. Leonardo Facheris, Forschungs- & Entwicklungsingenieur bei Sensirion.

Bild einer Wettermessstation im Hintergrund grüne Hügel und Himmel
(Bild: Adobe Stock/ETH Zürich) 

Welche Entscheidung hat Sie zu Ihrer jetzigen Tätigkeit geführt?

Ich habe einen akademischen Hintergrund in Physik und durch meine Bachelor-, Master- und Doktortitel kann man sagen, dass ich eine beträchtliche Zeit innerhalb der sicheren Mauern der akademischen Welt verbracht habe. Gegen Ende meiner Promotion begann ich mich zu fragen, wie es wohl wäre, in der Privatwirtschaft zu arbeiten; einer Welt, von der ich kein genaues Bild hatte. Als es an der Zeit war, eine Entscheidung zu treffen, stand ich vor zwei Wahlmöglichkeiten: Ich konnte für eine Postdoc-Forschung in ein anderes Land ziehen oder eine Stelle in der Industrie annehmen. Die Tatsache, dass ich begann, mich in der universitären Forschungsumgebung wohlzufühlen, beeinflusste dann meine Entscheidung, mich herauszufordern und eine Stelle in einem Unternehmen anzunehmen.

In der Praxis habe ich mich nicht nach irgendeiner Stelle in der Industrie umgesehen: Ich habe mich auf Stellen konzentriert, bei denen ich die Ansätze und Methoden, die ich aus meinem Studium kannte, anwenden konnte. Dies führte dazu, dass ich mich auf Aufgaben im Bereich Innovation und Technologieentwicklung konzentrierte, so dass es nur eine Frage der Zeit war, dass ich eine Stelle im Bereich Forschung und Entwicklung (F&E) fand.

Leonardo Facheris
D-PHYS alumnus Leonardo Facheris. (Bild: Leonardo Facheris)

Wie sieht eine normale Woche bei Ihnen aus?

Ich arbeite in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung der Sensirion AG, einem Unternehmen, das sich mit der Entwicklung von Sensoren für die Bereiche Nachhaltigkeit, Automobil, Medizin und Industrie beschäftigt. Jedes Produkt ist eine einzigartige Lösung in Bezug auf das Design, die zugrunde liegenden Messprinzipien oder die endgültige Anwendung. F&E umfasst den gesamten Weg von der ersten Idee für ein neues Produkt, über iterative Prototypenzyklen bis hin zur endgültigen Implementierung in etablierte Produktionslinien für die Grossserienfertigung.

In diesem Sinne ist es nicht einfach, eine normale Woche zu definieren, denn jeder Tag bringt neue Herausforderungen und Überraschungen! Der Tagesablauf eines F&E-Ingenieurs hängt von der Entwicklungsphase des Projekts ab, das er verfolgt. In der Anfangsphase verbringt man in der Regel mehr Zeit im Labor, wo man Prototypen baut und testet, um die technische Leistungsfähigkeit zu demonstrieren. Dies ist auch eine Zeit, in der Austausch und  Brainstorming mit Kollegen sehr wichtig sind. Später, wenn die Hauptideen gefestigt sind, verlagert sich der Schwerpunkt auf die Komponenten, die Materialauswahl und die Feinabstimmung des Produkts. In der Endphase verbringt man die Zeit damit, die Herstellungsverfahren auf die Anforderungen des Produkts anzupassen und diese Verfahren in die Produktion zu übertragen.

Für mich persönlich ist das ein fantastischer Punkt: Es gibt so viel zu lernen, und dabei ist das Tempo ziemlich hoch.

Was schätzen Sie an Ihrem Physik-Hintergrund am meisten?

Eine unschätzbare Lehre meines Physikstudiums ist, dass hinter jeder Tatsache, jeder Beobachtung oder jedem Phänomen ein sehr fundamentaler und grundlegender Grund steht, der sich in der Regel in Form einfacher Konzepte oder Ideen ausdrücken lässt. Daran denke ich immer, wenn ich mit einem unerwarteten Problem konfrontiert werde. Ich beginne damit, es aufzuschlüsseln, um herauszufinden, was es überhaupt verursacht hat. Das ist nicht immer einfach, weil man oft nur das Ergebnis einer langen Kette von Ursachen und Wirkungen sieht. Aber die systematische Herangehensweise eines Physikers ist nach wie vor von unschätzbarem Wert: Man fängt damit an, Schicht für Schicht Details freizulegen, bis man die zugrunde liegende Ursache herausfindet. Dieser Ansatz gilt auch für neue Herausforderungen, die Sie in kleine Schritte unterteilen können, die dann nacheinander angegangen werden.

Wie hat Sie Ihr Doktortitel in Physik auf Ihre jetzige Tätigkeit vorbereitet?

Neben den fachlichen Kenntnissen, die ich während meiner Promotion erworben habe, hatte ich die Möglichkeit, im Rahmen meiner experimentellen Doktorarbeit an einer Vielzahl von Analysegeräten und Messaufbauten zu arbeiten. Außerdem erwarb ich Kenntnisse in den Bereichen Datenanalyse, Modellierung und Hypothesenüberprüfung. All das hilft mir immer noch enorm bei meiner Arbeit. Aber diese Fähigkeiten sind noch nicht alles. Mit einem Doktortitel lernt man, Ideen und Fakten sowohl mündlich als auch schriftlich klar und überzeugend zu präsentieren. Auf einer höheren Ebene ist ein Doktortitel ein Training für Beharrlichkeit und Konsequenz. Mehr als das spezifische Wissen, das man erwirbt, ist es die Gesamtheit der Fähigkeiten, die einen Doktortitel lohnenswert machen.

 

Aus dem Englischen übersetzt von Kilian Kessler

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