
Wie man ein Fermi-Gas-Experiment aufzieht
Im Institut für Quantenelektronik läuft das Lattice-Lab seit über zwei Jahrzehnten ohne nennenswerte Unterbrechung. Dabei erweitert es ständig die Grenzen dessen, was man aus einem ultrakalten fermionischen Gas, das in einem optischen Gitter gefangen ist, lernen kann.
Wenn Physiker das Innenleben eines bestimmten physikalischen Systems nicht entschlüsseln können, versuchen sie es durch eine besser funktionierende Umgebung zu simulieren. Ein Ansatz, der auf dem Papier Sinn macht, aber nicht immer einfach aussieht: Wie kann man Atome einfangen und auf sehr niedrige Temperaturen abkühlen, um die Eigenschaften von Elektronen in Festkörpern zu untersuchen? Und doch sind ultrakalte Atomsysteme ein Eckpfeiler der Physik des 21. Jahrhunderts geworden.
Gut zu wissen: Bose und Fermi Gase
Das erste Bose-Einstein-Kondensat (BEC) mit einem Gas aus kalten Rubidiumatomen wurde 1995 realisiert. Gase mit schwacher Wechselwirkung waren im Prinzip theoretisch gut nachvollziehbar und boten einen optimalen Ausgangspunkt für die weitere Erforschung. Seitdem hat sich die Erforschung ultrakalter bosonischer Gase weiterentwickelt und umfasst nun auch stärkere Wechselwirkungen zwischen den Teilchen. Diese offenbaren ein faszinierendes Wechselspiel zwischen der teilchen- und wellenförmigen Natur der Atome im ultrakalten Gas, während sie gleichzeitig ein Mass an Kontrolle bieten, das in Festkörpern noch immer schwer zu erreichen ist. Forschende der Physik erkannten, dass Quantengase eine einzigartige Gelegenheit bieten, neue Einblicke in die Quantenvielteilchenphysik zu gewinnen, wobei der Fall für fermionische ultrakalte Gase noch überzeugender ist. Tatsächlich sind wechselwirkende Fermi-Vielteilchensysteme überall um uns herum zu finden, von Elektronen in Metallen und Halbleitern bis hin zu Atomkernen und – weiter entfernt von unserem Planeten – Neutronensternen und dem Quark-Gluon-Plasma.
In der Praxis kann ein Quanten-Fermigas mit denselben Kühltechniken – vor allem mit magneto-optischen Fallen (MOTs) und Verdampfungskühlung – erzeugt werden, die für BECs verwendet werden. Der grösste Unterschied besteht darin, dass die bosonischen Rubidium-Atome durch Alkaliatome mit einer ungeraden Anzahl von Elektronen, Protonen und Neutronen ersetzt werden: einschlägige Beispiele sind bestimmte Isotope von Kalium und Lithium. Da elastische Kollisionen zwischen identischen Fermionen bei ultrakalten Temperaturen unterdrückt werden, muss die Verdampfungskühlung so angepasst werden, dass eine Mischung aus zwei Atomsorten verwendet wird, z. B. bosonisches Rubidium und fermionische Kaliumatome.
Am Departement Physik der ETH Zürich gibt es eine Forschungsgruppe, die in der Forschung mit ultrakalten fermionischen Gasen Pionierarbeit geleistet hat: die Quantum Optics Gruppe unter der Leitung von Professor Tilman Esslinger. Eines der Teams der Gruppe arbeitet mit einem Versuchsaufbau, dem sogenannten Lattice-Lab, der seit über zwei Jahrzehnten ohne nennenswerte Unterbrechungen oder Störungen läuft. Dienser Aufbau verschiebt die Grenzen dessen, was man aus einem ultrakalten, in einem optischen Gitter eingeschlossenen Fermi-Gas lernen kann, immer weiter.
Erste Schritte: Arbeiten mit einem ‚lab in a trap‘
Als Esslinger an die ETH Zürich kam, hatte er Pionierarbeit für Bose-Gase in optischen Gittern geleistet. Über fermionische Systeme wusste er viel weniger, und das war es auch, was ihn neugierig machte. «Es ist wichtig, in den Nebel zu gehen», fasst Esslinger seine Sicht auf die akademische Forschung zusammen. «Wenn man sich nicht auf unbekanntes Terrain wagt, wird man nicht viel Neues und Interessantes finden». Im Jahr 2005 trat Esslingers Gruppe aus dem Nebel heraus und berichtete über die erste Charakterisierung eines Fermi-Gases aus Kaliumatomen, die in einem dreidimensionalen optischen Gitter gefangen sind. Diese Ergebnisse legten den Grundstein für die folgenden experimentellen Untersuchungen, die sich mit Themen vom Quantenmagnetismus bis zur Topologie befassten.
Ein optisches Gitter ist eine künstliche Kristallstruktur, die durch die Kreuzung sich gegenläufig ausbreitender Laserstrahlen in einer, zwei oder drei Raumdimensionen entsteht. Die daraus resultierenden stehenden Laserwellen erzeugen ein periodisches Potenzial für die in einem solchen Gitter geladenen Atome. Bei geeigneter Wahl der Laserfrequenz werden die Atome an Gitterstellen gefangen, die durch die Minima des Potenzials gekennzeichnet sind, welche den Intensitätsmaxima der stehenden Wellen entsprechen.
Das Konzept eines optischen Gitters wurde ursprünglich entwickelt, um die Wechselwirkungen zwischen Atomen und Licht zu verstehen. Es wurde zu einem ausgezeichneten Werkzeug, um die ‚rich physics‘ zu erforschen, die durch die Abstimmung der Art und Weise, wie Teilchen – zunächst Bosonen, später Fermionen – in einem periodischen Potential miteinander wechselwirken, erschlossen wird. Im Jahr 1998 gingen Forschende der theoretischen Physik davon aus, dass ultrakalte Atome im periodischen Potential eines optischen Gitters die Simulation des Bose-Hubbard-Modells ermöglichen würden, einer bosonischen Ableitung des Fermi-Hubbard-Modells, das weithin zur theoretischen Beschreibung der elektronischen Eigenschaften von Festkörpern verwendet wird.

Esslinger und sein Team arbeiteten mit Fermionen in einem optischen Gitter und versuchten, ein Fermi-Hubbard-Modell im Labor herzustellen. In ihrer Veröffentlichung aus dem Jahr 2005 stellten sie fest, dass „die einzigartige Kontrolle über alle relevanten Parameter in diesem System uns die Durchführung von Experimenten ermöglicht, die mit Festkörpersystemen nicht durchführbar sind“. Die Kontrollierbarkeit und Abstimmbarkeit des Lattice-Lab-Aufbaus sind in der Tat entscheidend für seinen Erfolg und seine Langlebigkeit. Diese Eigenschaften ermöglichten es dem Team, eine Vielzahl von Konzepten in der Physik der kondensierten Materie zu untersuchen und in jüngster Zeit mit der Erforschung dessen zu beginnen, was danach kommt.
Anatomie eines Versuchsaufbaus
Die Apparatur des Versuchsaufbaus ist um drei Hauptstufen herum aufgebaut, die erforderlich sind, um die ultrakalten fermionischen Atome auf dem optischen Gitter anzuordnen. Zunächst wird eine Mischung aus bosonischen Rubidiumatomen und fermionischen Kaliumatomen in einer MOT mit Laserlicht eingefangen. Nach dem Abschalten des Laserlichts und dem Festhalten der Atome durch magnetische Kräfte werden die Atome magnetisch in eine Ultrahochvakuum-Glaszelle transportiert. Hier werden die energiereichsten Rubidiumatome durch Verdunstungskühlung entfernt, während die Kaliumatome durch thermischen Kontakt mit den verbleibenden Rubidiumatomen in einem Prozess, der als sympathetische Kühlung bezeichnet wird, weiter abgekühlt werden. Von der Glaszelle aus werden die Kaliumatome dann in eine optische Dipol-Falle transferiert, die es dem Team ermöglicht, sie in Mischungen aus zwei Spin-Zuständen zu präparieren. Anschliessend wird dieses Quantengas durch massgeschneiderte Präparations- und Ausrichtungsverfahren in das optische Gitter geladen.

Im Labor sind die MOT und die Glaszelle – die Zelle ist das Herzstück dieses ‚lab in a trap‘ und dank ihrer Glaswände optisch zugänglich – auf einem Experimentiertisch aufgebaut. Der Teil des Aufbaus, der der Vorbereitung des Laserlichts für die MOT und das optische Gitter entspricht, findet auf einem benachbarten Tisch statt; das Laserlicht erreicht den Experimentiertisch durch optische Fasern. Diese strikte Trennung der Komponenten des Aufbaus ist kein Zufall: Das Team kann nicht riskieren, dass resonante Photonen in die Glaszelle eindringen, da die Empfindlichkeit, mit der sie arbeiten, so hoch ist, dass selbst ein einziges Photon mit der falschen Wellenlänge das gesamte Quantengasexperiment gefährden würde.
Um das Quanten-Fermi-Gas zu untersuchen, nutzt das Team die Flugzeit-Absorption-Abbildung: Sie lassen die Atome zunächst ballistisch expandieren, indem sie das Magnetfeld und die Laser für das Gitter vorübergehend ausschalten, dann bestrahlen sie die Atome mit einem Resonanzlaser und fangen den entstehenden Schatten mit ladungsgekoppelten Kameras (CCD) ein. Aus diesen Bildern können dann grundlegende Informationen wie die Gesamtzahl der Atome und die Impulsverteilung der Atome extrahiert werden.
Gut zu wissen: Das Fermi-Hubbard-Modell
Im Rahmen des Fermi-Hubbard-Modells hüpfen Atome durch Tunnel mit einer Rate J von einem Gitterplatz zum nächsten. Wenn sich dadurch zwei Atome mit entgegengesetzten Spins einen Platz teilen, wird die Kurzstreckenwechselwirkung zwischen dem kollidierenden Atompaar durch das Potenzial U bestimmt, das proportional zu einer als Streulänge a bezeichneten Grösse ist. Das Vorzeichen von a beschreibt die Art der Wechselwirkung zwischen den Teilchen, die bei positiven Streulängen abstossend und bei negativen Werten von a anziehend ist. Bei derartig tiefen Temperaturen schliesst das Pauli-Prinzip Atom-Atom-Kollisionen zwischen Teilchen desselben Spins aus. Zwischen Atomen mit unterschiedlichem Spin sind sie jedoch möglich. Daher muss das Gas zu einem Spin-Gemisch aus zwei magnetischen Teilniveaus des atomaren Hyperfein-Grundzustands präpariert werden.
Das Fermi-Hubbard-Modell verdeutlicht einige der entscheidenden Parameter des Quanten-Fermi-Gases auf einem Gitter, das in Esslingers Labor gefunden wurde. Im Experiment steuert die Intensität der stehenden Laserwellen die Tunneleffektrate; die Steuerung von U erfordert den Zugang zu so genannten Feshbach-Resonanzen durch ein angelegtes Magnetfeld. Der Bedarf an Feshbach-Resonanzen war ausschlaggebend für den Wechsel von magnetischen Fallen zu optischen Dipol-Fallen, da die optimalen Spin-Zustände für den Zugang zu diesen Resonanzen in einem Kaliumgas nicht in einer magnetischen Falle eingeschlossen werden können.

Viel zu entdecken
Im Jahr 2008 gelang Esslingers Team ein Kunststück, das zuvor nur mit Gasen aus bosonischen Atomen demonstriert worden war: Sie schufen einen Mott-Isolator aus einem abstossend wechselwirkenden Zweikomponenten-Fermi-Gas. Die Forscher charakterisierten das isolierende Verhalten ihres Systems, indem sie den Anteil der Atome in doppelt besetzten Gitterplätzen untersuchten. Theoretisch wurde prognostiziert, dass der Anteil der Doppelbelegung zunimmt, wenn die Atome nicht miteinander wechselwirken, während er bei abstossenden Atom-Atom-Wechselwirkungen unterdrückt wird: im Experiment konnten dann Übereinstimmungen mit dieser Prognose aufgezeigt werden. In einer anschliessenden Studie über Quantenmagnetismus bestätigte die Beobachtung, dass Atome mit unterschiedlichen Spins dazu neigen, sich nebeneinander anzuordnen. Und somit auch das Potenzial des Lattice-Labs als Simulationsplattform für die Physik der kondensierten Materie.
Die 2010er Jahre markierten eine neue Richtung für den Aufbau, als ein zusätzlicher Parameter die Aufmerksamkeit des Teams auf sich zog: die Geometrie des optischen Gitters. Das Team zeigte, dass diese Geometrie so abstimmbar ist, dass sie den Weg zu topologischen Effekten eröffnete. Wenn die Wechselwirkungen zwischen den Teilchen für die Erklärung einiger Phänomene in Festkörpern, wie z. B. isolierende Phasen, entscheidend sind, so sind auch die Bandstruktur und ihre Topologie von grundlegender Bedeutung. Die Besonderheit von Graphen beispielsweise beruht zu einem grossen Teil auf topologischen Defekten (im Impulsraum) in seiner wabenförmigen Gitterstruktur: Diese Defekte sind als Dirac-Punkte bekannt. Das Lattice-Lab-Team zeigte 2012, dass es möglich ist, Dirac-Punkte in einem ultrakalten Fermi-Gas zu erzeugen und so zu manipulieren, die sie in ein Gitter mit Wabenstruktur geladen werden konnten. Es stellte sich heraus, dass die Kontrollierbarkeit des Aufbaus auch für die Dirac-Punkte gilt, die auf dem Gitter verschoben und sogar zusammengeführt werden können. Im Labor erfordert die Abstimmung der Gittergeometrie eine zusätzliche stehende Welle, die mit einem anderen Laserstrahl in einer Richtung kollinear, aber in der Frequenz verstimmt ist. Diese zusätzliche Welle verändert das periodische Potenzial, das die Atome empfinden; durch Variation der relativen Intensitäten der vier Laserstrahlen lassen sich unterschiedliche Gitter-Geometrien erzeugen.
«Wenn man sich in der Forschung nicht auf unbekanntes Terrain begibt, wird man nicht viel Neues und Interessantes finden.»Tilman Esslinger
Beim Rückblick auf den Entstehungsprozess des 2012 veröffentlichten Papers betont Esslinger, dass die zur Erzeugung von Dirac-Punkten genutzte Gittergeometrie ursprünglich nicht für diesen Zweck konzipiert war. «Es ist wichtig, einen offenen Geist zu bewahren, damit man nichts Interessantes übersieht», sagt er. Eine offene Denkweise und eine Portion Glück waren entscheidend für eine äusserst wichtige Arbeit, die dann 2014 veröffentlicht wurde. Durch Hinzufügen einer sinusförmigen Modulation der Position des Wabengitters in zwei Raumrichtungen konnten Esslinger und sein Team das berühmte topologische Haldane-Modell realisieren. Die Entdeckung des Nobelpreisträgers Duncan Haldane zeigt, dass der Ursprung des Quanten-Hall-Effekts in der Aufhebung der Zeitumkehrsymmetrie liegt. Als er seine Ergebnisse 1988 veröffentlichte, stellte Haldane fest, dass „das hier vorgestellte Modell wahrscheinlich nicht direkt realisierbar ist“. Der Weg zum experimentellen Nachweis des topologischen Haldane-Modells brauchte eine zusätzliche Initialzündung: Diese kam von Professor Hideo Aoki, einem Theoretiker der Universität Tokio, der 2012 das Physikdepartement der ETH besuchte. Aoki war es, der Esslinger und seine Mitarbeiter darauf hinwies, dass eine zirkuläre Modulation der Gitterposition genügen sollte – und das tat sie auch.
Das Lattice-Lab-Team hat die Zusammenhänge zwischen Topologie und Wechselwirkungen erforscht, indem es mit seinem Quantengas eine sogenannte Thouless-Pumpe realisiert hat. Eine Quantenpumpe kann einen Teilchenstrom in einem System durch periodische Modulation einiger Systemparameter erzeugen, ohne dass eine externe Vorspannung vorhanden ist. Eine Thouless-Pumpe ermöglicht den Transport von Teilchenladungen ohne externe elektrische oder magnetische Felder durch eine zyklische Entwicklung der Hamilton-Funktion des Systems: Die transportierte Ladung ist quantisiert und wird vollständig durch die Topologie des Pumpenzyklus bestimmt, was sie zu einer topologischen Quantenpumpe macht. Vereinfachend kann man kann die Thouless-Pumpe als eine Quanteninkarnation der berühmten Archimedischen Schraube betrachten. Eine Beobachtung bei einem anderen Experiment, das zusammen mit Professor Tobias Donner und dessen Team durchgeführt wurde, inspirierte das Lattice-Lab-Team zur Entwicklung eines einfachen und robusten Schemas für die Thouless-Pumpe, das auf einem sich langsam bewegenden Interferenzmuster im Gitter basiert.
Dieser Fortschritt, zusammen mit einer verbesserten Ladesequenz für die Atome im Gitter, ermöglichte es den Forschern, das Zusammenspiel zwischen topologischem Transport und Wechselwirkungen zwischen den Teilchen zu untersuchen. Was Esslinger an diesen jüngsten Ergebnissen fasziniert, ist, dass sie weit davon entfernt sind, ein einfacher Beweis für ein Konzept zu sein, da sie neue Forschungsrichtungen jenseits der Topologie eröffnet haben.
Zusammenarbeit
Es heisst, es benötigt ein Dorf, um ein Kind aufzuziehen. Wie sich herausstellt, braucht es auch ein Dorf, um einige Versuchsaufbauten zu betreiben. Generationen von Doktorierenden und Postdocs haben sich um den sich ständig weiterentwickelnden Apparat gekümmert. Im Gegenzug bot der Aufbau den Forschenden eine erstklassige Spielwiese, um sich wissenschaftlich weiterzuentwickeln.
Wie Esslinger erklärt, ist es für den kontinuierlichen Betrieb einer solchen Einrichtung wünschenswert – wenn auch in der Praxis nicht immer möglich –, eine zeitliche Überlappung zwischen den Mitgliedern, die die Gruppe verlassen, und denjenigen, die neu hinzukommen, sicherzustellen. Ein Teammitglied bringt oft jahrelange Erfahrung im Umgang mit dem Experiment mit: Laborbücher können nicht das Gespür dafür ersetzen, warum sich ein Gerät nicht wie erwartet verhält. Dennoch sind Laborbücher eine wertvolle Sammlung relevanter Informationen über die Apparatur. Aus diesem Grund möchte Esslinger in Zukunft ein massgeschneidertes Tool für künstliche Intelligenz entwickeln, das dem Lattice-Lab-Team hilft, seine Laborbücher effektiver zu nutzen.
Teamarbeit und Wissenstransfer sind unabdingbare Voraussetzungen, ebenso wie die Pflege der technischen Dokumentation. Alle Teammitglieder tragen diese Verantwortung gemeinsam. Die derzeitigen Mitglieder des Lattice-Labs sind Dr. Konrad Viebahn, die Postdocs Yann Kiefer und Zijie Zhu sowie die Doktoranden Giacomo Bisson, Lars Fischer, Marius Gächter und Samuel Jele. «Es ist beeindruckend, wie gut dieser Aufbau über die Jahre hinweg gebaut wurde, wie viel Überlegung in die Suche nach dauerhaften Lösungen eingeflossen ist», sagt Kiefer. Das ist nicht selbstverständlich, vor allem, weil viele Komponenten individuell von Teammitgliedern gebaut und nicht im Handel gekauft wurden.
Selbst mit dem besten Wissenstransfersystem kommt es aber vor, dass das Team eine Lektion auf die harte Tour lernt und etwas geht kaputt oder sich nicht wie gewünscht verhält. Dann muss Zeit damit verbracht werde, neu zu lernen und Tricks oder Lösungen zuentdecken, wie es in der Wissenschaft immer der Fall ist. Es kann auch der Punkt erreicht werden, an dem es ratsam ist, das menschliche Gedächtnis des Lattice-Labs anzuzapfen: Ein Teammitglied wendet sich in dem Fall dann an ein früheres Mitglied, um eine Frage zu einem bestimmten Element des Aufbaus zu stellen. «Das funktioniert in der Regel sehr gut, und die Leute sind gerne bereit zu helfen», sagt Esslinger.

Blick nach vorn
Derzeit kümmern sich Fischer, Kiefer, Viebahn und Zhu um den Grossteil des täglichen Betriebs und der Forschungstätigkeiten an der Anlage. Bisson, Gächter, Jele und Viebahn konzentrieren sich auf die jüngste und wichtigste Entwicklung: die Einrichtung eines zweiten Lattice-Labs, das die Möglichkeiten des ‚lab in a trap‘ weiter ausbauen wird. Zu den Zielen des Teams gehören eine viel schnellere Datenerfassung, niedrigere Temperaturen sowie Ortsspezifität, d. h. die Fähigkeit zu festzustellen, wo sich die ultrakalten Fermionen auf dem optischen Gitter befinden. Der letztgenannte Aspekt ist besonders wichtig im Hinblick auf eine neue Forschungsrichtung, die das Interesse der Forschenden in Richtung Quantencomputer verlagert. Wie Viebahn erklärt, hat die im Jahr 2023 realisierte topologische Pumpe eine neue Form der Verbindung zwischen den Teilchen ermöglicht, da sie es erlaubt, Atome auf dem Gitter hin und her zu bewegen. «Wir haben die Wechselwirkungen zwischen den Teilchen während des Pumpens eingestellt und festgestellt, dass zwei Atome, die sich treffen, während sie in entgegengesetzte Richtungen gepumpt werden, Verschränkungsoperationen durchführen», erklärt Viebahn. Das ist ein grundlegender Baustein für jeden Quantencomputer. Die ersten Ergebnisse der Forschenden bestätigen, dass ihre topologische Pumpe die Verschränkung innerhalb eines optischen Gitters kontrolliert erzeugen und transportieren kann, was den Weg für Anwendungen in der Quanteninformationsverarbeitung öffnet. «Nachdem sich der Nebel über die Rolle der Wechselwirkungen in einer Thouless-Pumpe gelichtet hat, haben wir einzigartige skalierbare Quantengatter gefunden», sagt Esslinger. Das Lattice-Lab und sein Team sind bereit für eine weitere Entdeckung an der Spitze der Physik.
